Rechtliches

Covid-19-Impfung als dienstliche Veranstaltung

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Das Verwaltungsgericht Freiburg hat einer Polizistin die Anerkennung einer Covid-19-Impfung als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer anaphylaktischen Reaktion versagt, da es am für die Anerkennung erforderlichen Dienstbezug fehle.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Impfung gegen COVID-19 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer anaphylaktischen Reaktion. Die Klägerin stand im hier maßgeblichen Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses beim Beklagten in einem Beamtenverhältnis im gehobenen Polizeivollzugsdienst.

Ihre Dienststelle war die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (im Folgenden: Hochschule). Mittlerweile wurde die Klägerin zur Ruhe gesetzt. Der weitere Sachverhalt ergibt sich aus den Gründen. Die Klage blieb erfolglos.

LBeamtVGBW – § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2

Die Impfung einer Polizistin im Kreisimpfzentrum gegen COVID-19 stellt nur dann eine dienstliche Veranstaltung i. S. v. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBeamtVGBW dar, wenn sie einen formellen und materiellen Dienstbezug aufweist. Dieser liegt nicht bereits dann vor, wenn die Impfung während der Dienstzeit stattfindet und die Terminvereinbarung durch die Dienststelle erfolgt.

Verwaltungsgericht Freiburg, Urt. v. 02.05.2023 – 3 K 3268/21

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg und deren Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Impfung gegen COVID-19 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer anaphylaktischen Reaktion (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Einem möglichen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der bei ihr aufgetretenen Körperschäden als Dienstunfall nach § 45 Abs. 1 LBeamtVGBW steht nicht bereits die Regelung in § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG entgegen. Entgegen der Ansicht des Beklagten handelt es sich bei § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG nicht um die speziellere Norm, die eine Anwendung von § 45 Abs. 1 LBeamtVGBW ausschließt.

Hiergegen spricht bereits, dass § 45 Abs. 1 LBeamtVGBW im Unterschied zu § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG mit dem Vorliegen eines Dienstunfalls, der Ursache für einen Körperschaden ist, eine zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung normiert. Auch die Gesetzeshistorie spricht nicht dafür, dass der Gesetzgeber mit § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG eine Norm schaffen wollte, die für Impfschäden aufgrund einer Impfung gegen COVID-19 eine abschließende Regelung darstellen und das grundsätzlich speziellere (Landes-)Beamtenrecht verdrängen soll.

§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze in das Infektionsschutzgesetz eingefügt. Ausweislich der Gesetzesbegründung betrifft die Ergänzung des Versorgungsanspruchs größtenteils Personen, die schon bisher unter § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG gefallen sind (vgl. BT-Drs. 19/29287, S. 12). Es handelt sich damit lediglich um eine Ergänzung der bisher über § 60 IfSG geregelten Fälle.

Erforderlicher Dienstbezug nicht vorhanden

Bei der Impfung gegen COVID-19 im Kreisimpfzentrum am 13.03.2021 handelt es sich nicht um einen Dienstunfall. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVGBW ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die bei der Klägerin aufgetretenen Körperschäden sind nicht infolge eines Dienstunfalls nach § 45 Abs. 1 LBeamtVGBW aufgetreten.

Die bei der Klägerin aufgetretene anaphylaktische Reaktion steht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung gegen COVID-19 im Kreisimpfzentrum. Dies geht aus der Stellungnahme des polizeiärztlichen Dienstes hervor und wird auch bestätigt im vorläufigen Entlassungsbrief des Klinikums vom 17.03.2021. Das ist auch zwischen den Beteiligten letztlich unstreitig.

Bei der Impfung handelt es sich ungeachtet dessen jedoch nicht um einen Dienstunfall im vorgenannten Sinne, weil es am erforderlichen Dienstbezug fehlt. Das Tatbestandsmerkmal „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ aus § 45 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVGBW verlangt eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Unfallereignisses mit dem Dienst.

Beamtenrechtliche Dienstunfallfürsorge

Maßgebend hierfür ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Dienstunfallfürsorge. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird.

Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn, kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu.

Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört.

Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn grundsätzlich unabhängig davon zuzurechnen, ob die konkrete Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Eine Ausnahme gilt grundsätzlich nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft.

Kreisimpfzentrum kein Dienstort

Dienstort im dienstunfallrechtlichen Sinne ist dabei derjenige Ort, an dem der Beamte die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben zu erledigen hat. Sind dem Beamten für gewisse Zeit Aufgaben zugewiesen, die er nicht an seinem üblichen Dienstort, insbesondere nicht an seinem Arbeitsplatz in einem Dienstgebäude, sondern an einem anderen Ort wahrnehmen muss, so wird dieser Ort für die Dauer der Aufgabenerledigung vorübergehend zum Dienstort.

Hieran gemessen ist der bei der Klägerin aufgetretene Körperschaden nicht „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ eingetreten. Die Impfung der Klägerin erfolgte zwar während der Dienstzeit und die Beschäftigten erhielten eine pauschale Zeitgutschrift von zwei Stunden für den Zeitraum der Impfung.

Das Kreisimpfzentrum stellt jedoch keinen Dienstort im dienstunfallrechtlichen Sinne dar. Eine dienstliche Verpflichtung der Klägerin, das Kreisimpfzentrum zum Zweck der Impfung aufzusuchen, bestand nicht. Es erfolgte keine Anweisung des Beklagten, sich im Kreisimpfzentrum gegen COVID-19 impfen zu lassen, und damit lag für die Klägerin im Zeitraum der Impfung auch keine Aufgabenzuweisung für das Kreisimpfzentrum vor.

Der Beklagte hat der Klägerin insoweit nur die Möglichkeit einer zentralen Anmeldung für den Impftermin angeboten. Es war der Klägerin freigestellt, ob sie diese Möglichkeit wahrnimmt oder sich privat um einen Impftermin bemüht.

COVID-19-Impfung keine dienstliche Veranstaltung

Die Impfung gegen COVID-19 im Kreisimpfzentrum stellt auch keine dienstliche Veranstaltung i. S. v. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBeamtVGBW dar. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBeamtVGBW ordnet dem Dienst auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen zu. Dienstliche Veranstaltungen sind kollektive – für alle Beamten des Dienstherrn oder einer Behörde oder für einen bestimmten Kreis von Bediensteten geschaffene – Maßnahmen oder Einrichtungen. Die Veranstaltung muss formell und materiell dienstbezogen sein.

Um ihre entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre zu erhalten, muss eine Veranstaltung im Zusammenhang mit dem Dienst stehen, dienstlichen Interessen dienen und, sei es unmittelbar oder mittelbar, von der Autorität eines Dienstvorgesetzten getragen und damit in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen sein.

Der Dienstvorgesetzte muss die Veranstaltung nicht ausdrücklich oder förmlich als „dienstlich“ bezeichnet haben. Maßgeblich ist, ob aus dem Verhalten des Dienstvorgesetzten unter Berücksichtigung aller sonstigen objektiven Umstände auf einen entsprechen Willen geschlossen werden kann.

Nach diesen Maßstäben stellt sich die Impfung gegen COVID-19 im Kreisimpfzentrum nicht als dienstliche Veranstaltung dar. Es fehlt an dem erforderlichen formellen und materiellen Dienstbezug.

(…)

Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Neuen Polizeiarchiv 2/2024, Lz. 233.