Sicherheit Sicherheitskonzepte

Hohes Risiko eines schweren Unfalls

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Bewusste oder leichtfertige Übertretungen von Regeln bei verschiedenen Arten der Verkehrsteilnahme kennzeichnen ein unfallträchtiges Verhalten, das im dynamischen Straßenverkehr häufig nur kurzzeitig und überdies flüchtig auftritt. Doch besonders für die Fußgänger bestehen hier immense Gefahren. Im Stadtverkehr sind die meisten Verkehrsunfälle mit schweren Folgen solche, bei denen ein nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmender von einem Kraftfahrzeug erfasst wurde.

Verletzungssituation von Fußgängern

Grundsätzlich ist bei der Analyse der Entwicklung der verunglückten Fußgänger ein positiver Trend zu erkennen. Wurden vor 40 Jahren (1983) rund 60 000 verletzte Fußgänger (nur in den alten Bundesländern) registriert, so waren es 2022 im gesamten Bundesgebiet „nur“ 26 857.

Noch deutlicher ist der Rückgang bei der Zahl der Getöteten festzustellen: Während 1983 insgesamt 3040 Menschen als Fußgänger im Straßenverkehr (nur westliche Bundesländer) getötet wurden, kamen 2022 zu Fuß „lediglich“ 368 auf deutschen Straßen ums Leben.[1]

Zwar kann damit innerhalb von 40 Jahren (trotz Erhöhung des Bevölkerungsbestandes nach Wiedervereinigung um rund 16,5 Millionen) eine Reduzierung der Anzahl der als Fußgänger Verunglückten um fast zwei Drittel und bei den getöteten Fußgängern um beinahe 90 Prozent festgestellt werden.

Grundsätzliche Verbesserung der Verkehrssicherheit

Damit hat die Sicherheit des Fußverkehrs sich in den vergangenen Jahrzehnten – wie auch der gesamte Trend zur höheren Verkehrssicherheit – vergleichbar gut entwickelt. Ebenso wie andere Arten der Verkehrsteilnahme stärker vor dem Unfalltod geschützt werden konnten, ist glücklicherweise auch das Gehen zu Fuß sicherer geworden. Doch diese Erfolge sind von der Vision Zero noch weit entfernt, sodass in der Verkehrsunfallprävention nicht nachgelassen werden sollte.

Das Zusammenführen von Mobilitätsdaten mit Unfalldaten eröffnet die Möglichkeit, expositionsbezogene Befürchtungen eines Verkehrsunfalls, respektive Wahrscheinlichkeiten einer Verletzung oder Tötung, verkehrsmittelartübergreifend darstellen zu können.

Gesamtfußwegelänge in Deutschland

Das Zufußgehen macht als einfachste und ursprünglichste Art der Fortbewegung, die bei vielen Menschen ein selbstverständlicher Bestandteil der Alltagsmobilität darstellt, nach der jüngsten Studie zur „Mobilität in Deutschland (MiD 2017)“ eine durchschnittliche Wegelänge von täglich 1,6 Kilometern aus.

Insgesamt beträgt nach aktuellen Erkenntnissen die per pedes in Deutschland zurückgelegte Verkehrsleistung durchschnittlich 93 Mio. Personenkilometer pro Tag.[2] Somit ergibt sich eine Gesamtfußwegelänge in Deutschland von jährlich 33,9 Mrd. km.

Jährliche Pkw-Fahrleistung

Demgegenüber liegt die mittlere Betriebszeit pro Pkw und Tag bei ca. 45 Minuten bzw. nur drei Prozent der Gesamtzeit eines Tages. Im Mittel werden knapp zwei Fahrten und 30 Kilometer pro Tag zurückgelegt. Die Jahresfahrleistung liegt bei 14 700 Kilometern.[3] Beim zuletzt für 2023 in Deutschland erhobenen Gesamtbestand von 48 763 036 Pkw[4] ergibt sich damit eine jährliche Pkw-Fahrleistung von rund 709 Mrd. Kilometern.

Erhöhte Todesgefahr für Fußgänger

Nach vorliegenden Daten wurden im Jahr 2022 bundesweit 173 388 Fahrer und Mitfahrer im Pkw verletzt, 1192 von ihnen tödlich.[5] Damit verunglückt durchschnittlich alle 4,1 Mio. Kilometer ein Pkw-Fahrer bzw. Mitfahrer. Eine Todesfolge ist bei Pkw-Nutzern je 595 Mio. Kilometern Fahrleistung zu erwarten. Andererseits verunglückt durchschnittlich nach 1,3 Mio. km ein Fußgänger, und alle 92 Mio. Kilometer ist ein getöteter Fußgänger zu beklagen.

Damit ergibt sich streckenbezogen eine weit höhere Gefahr für Fußgänger im Straßenverkehr, als diese für Pkw-Nutzer besteht. Wer zu Fuß geht, hat, gemessen an der Lauf- bzw. Kilometerleistung, ein mehr als dreifach so hohes Risiko, im Straßenverkehr körperliche Verletzungen zu erleiden. Die Todesgefahr ist danach für den Fußverkehr mehr als sechsfach so hoch wie für die Fahrt mit dem Pkw.

Fußgänger leben also gefährlicher als gemeinhin wahrgenommen. Die Realität ist eine sehr unbefriedigende Situation für Fußgänger, die dem verfassungsmäßigen Schutz von Leib und Leben der Bürger (Art. 2 und 20 GG) nicht gerecht wird.

Analyse der Straßenverkehrssicherheit

Aktuelle eingehende Untersuchungen über Unfälle ermöglichen es den politischen Entscheidungsträgern sowie den zuständigen Verwaltungsbehörden, die aktuelle (Fehl-)Leistung des Straßenverkehrssystems zu verfolgen, neue Schwachstellen zu ermitteln und neue Hypothesen über künftige Gegenmaßnahmen zu testen bzw. einzuführen.

Die Analyse der Straßenverkehrssicherheit ist ein wesentliches Element in der Planungspraxis der Vision Zero, da sie als Orientierungshilfe für die erfolgreiche Behandlung aktueller Risiken im Straßenverkehrssystem und für die Gestaltung eines zukünftigen sicheren Systems dient. Daran muss für den Fußverkehr verstärkt gearbeitet werden.

Vision Zero

Bislang wird die Aufmerksamkeits- und Ressourcenverteilung – auch der Experten – dem realen Gefahren- und Schadenvolumen nicht gerecht. Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, bis 2030 die Anzahl der Getöteten um 40 Prozent zu senken und zugleich die Zahl schwerer Verletzungen bei Unfällen zu reduzieren, muss auch der Sicherheit der Fußgänger zukünftig mehr Bedeutung beigemessen werden.

Die Belange der Fußgänger aller Lebensalter und Mobilitätseigenschaften sind bei der Planung und Umgestaltung der städtischen Infrastruktur zu berücksichtigen. Dazu gehört besonders die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern, Senioren und mobilitätseingeschränkten Menschen.

(…)

Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Deutschen Polizeiblatt 1/2024, S. 15.

[1] Statistisches Bundesamt (2022): Verkehrsunfälle – Zeitreihen 2021, S. 139, 142, Wiesbaden; Statistisches Bundesamt (2023): Datenbank GENESIS-Online.

[2] Infas, DLR, IVT und infas 360 (2019): Mobilität in Deutschland – MiD, Analysen zum Radverkehr und Fußverkehr (im Auftrag des BMDV), Berlin, S. 63 ff.

[3] Infas, DLR, IVT und infas 360 (2018): Mobilität in Deutschland – MID, Ergebnisbericht, Berlin, S. 4.

[4] Kraftfahrt-Bundesamt (2021): Der Fahrzeugbestand am 01.01.2023, Pressemitteilung Nr. 08/2023 v. 02.03.2023.

[5] Statistisches Bundesamt (2023), a. a. O.