Gefahrenabwehr Sicherheitskonzepte

Wo Fußgänger am häufigsten verunglücken

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Wo verunglücken die meisten Fußgänger? Die amtliche Unfallstatistik gibt auf diese Frage keine differenzierte Antwort. Um hier mehr Klarheit zu schaffen, wurden vom Autor dieses Beitrags die öffentlich zugänglichen Unfalldaten der Jahre 2019 bis 2021 in Verbindung mit OpenStreetMap-Daten auf unterschiedliche Arten ausgewertet. Dabei kristallisierten sich drei Schwerpunktbereiche für Fußgängerunfälle heraus.

Unfallschwerpunkt 1: „Bedingt verträgliche“ Ampeln

Sogenannte bedingt verträgliche Ampelschaltungen, bei denen Fußgänger und in ihre Furt einbiegende Fahrzeuge gleichzeitig grün haben, sind besonders häufige Unfallorte. Schlechte Sicht (z. B. Dunkelheit, Regen), viel Verkehr (z. B. Berufsverkehr) und bauliche Probleme (z. B. hoher Kurvenradius) vergrößern hier die ohnehin schon hohe Unfallgefahr weiter.

Die Unfallforschung der Versicherer hält hierzu fest: „Die Praxis zeigt anhand der hohen Unfallzahlen, dass die sogenannten bedingt verträglichen Verkehrsströme eben nicht verträglich sind, wenn sie gleichzeitig auftreten.“[1] Theoretisch haben an solchen Stellen Fußgänger Vorrang, das nutzt diesen aber nichts, wenn stärkere Verkehrsteilnehmer den Vorrang nicht beachten.

Hinzu kommt, dass Fußgängerampeln keine Gelb-Phase besitzen und Fußgänger sich dadurch oft legal bei Fußgänger-Rot auf der Straße befinden, andere Verkehrsteilnehmer jedoch glauben, bei roter Fußgängerampel hätten sie freie Fahrt.

Unfallschwerpunkt 2: ÖPNV-Umsteigestellen

Einen weiteren Schwerpunkt stellen Umsteigestellen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) dar: Personen, die einen Bus oder eine Straßenbahn verlassen, sind mit dem Kopf noch nicht im umgebenden Verkehrsgeschehen angekommen, da sie zuvor in der sicheren Hülle des Fahrzeugs nur passiv an diesem teilnahmen.

Stattdessen sind sie damit beschäftigt, die neue Abfahrtshaltestelle zu finden und zu dieser zu eilen, denn oftmals kommt (vermeintliche) Zeitknappheit beim Umstieg hinzu. Bei bereits einfahrender Straßenbahn kann dies dazu führen, dass die Straße regelwidrig oder zumindest mit hohem Risiko gequert wird.

Ein weiteres Problem sind die Busse und Bahnen selbst: Sie blockieren regelmäßig die Sicht zwischen Passagieren, die die Straße queren wollen, und Fahrzeugen, die an diesen vorbeifahren. Dies tritt insbesondere dann auf, wenn mehrere Busse hintereinander an einer Bushaltestelle halten und die Passagiere zwischen diesen die Straße queren wollen.

Unfallschwerpunkt 3: Geschäftsstraßen

Die dritte Auffälligkeit sind Straßen mit Geschäften auf beiden Straßenseiten. Hier besteht oft hoher Querungsbedarf für Fußgänger. Gleichzeitig fehlen meist adäquate Querungsmöglichkeiten, da nicht nur an einzelnen Punkten gequert wird, sondern im ganzen Straßenverlauf.

Überraschenderweise genügt es in solchen Straßen nicht, die erlaubte Maximalgeschwindigkeit zu senken: Selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten sind solche Straßen unfallauffällig. Die niedrigen Geschwindigkeiten sorgen allerdings für eine geringere Verletzungsschwere.

Eine Mitursache für Unfälle dürfte der ruhende Verkehr sein, der laut Unfallforschung der Versicherer bei der polizeilichen Erfassung oft nicht als Verursacher erkannt wird.[2] Parkende Fahrzeuge verdecken die Sicht zwischen Fahrzeugführern und Fußgängern. Zudem blockieren sie die Wege der Fußgänger, sodass diese auf gefährlichere Routen ausweichen müssen.

Dies trifft insbesondere auf illegal geparkte Fahrzeuge zu. Parkverstöße begehen Anlieferer für die Geschäfte ebenso wie Auto fahrende Kunden. Hinzu kommt, dass Ordnungsämter und Stadtpolizeien an diesen Stellen oft mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs überfordert sind, weil die Parkdauer meist sehr kurz ist und dadurch allenfalls in Einzelfällen eingegriffen werden kann.

Schlussfolgerung: Priorität auf Sicherheit

Die Unfallursachen in den genannten Schwerpunktbereichen sind vielfältig. Teils ist es individuelles Versagen und Regelmissachtung, aber auch Schwächen der verkehrlichen Infrastruktur und Verkehrsregelung tragen dazu bei.

Die Polizei kann dies nicht aktiv ändern. Sie kann jedoch den hierfür Zuständigen in den Verkehrs- und Baubehörden wertvolle Hinweise geben. Unfallsenkende Maßnahmen sind vor allem in folgenden Bereichen möglich:

  • Weniger konfliktträchtige Ampelschaltungen. Hier muss gerade an Übergängen mit starkem Fußverkehr die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer ein größeres Gewicht gegenüber dem Wunsch erhalten, die Fahrzeugkapazität zu maximieren.
  • Senkung des Geschwindigkeitsniveaus. Hier sind vielerorts selbst die rechtlich eingeschränkten Möglichkeiten noch nicht ausgenutzt. Die angekündigte Novelle der StVO soll wesentlich größere Spielräume schaffen. Auch baulich und technisch kann das Geschwindigkeitsniveau gesenkt werden, etwa durch das Verschwenken von Fahrspuren, spitzere Winkel an Einmündungen, durch Fahrbahnaufpflasterungen sowie durch „Grüne Wellen“ bei niedrigerer Fahrgeschwindigkeit.
  • Mehr und bessere Querungshilfen wie Zebrastreifen, Mittelinseln, Gehwegvorstreckungen, wiederum Aufpflasterungen.
  • Stärkere Sicherung von Haltestellenbereichen: Querungshilfen und Ampelschaltungen, die dem ÖV erste und den zum und vom ÖV Gehenden zweite Priorität geben.

All das kann zu Erschwernissen für den motorisierten Verkehr führen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in den genannten Bereichen der Fußverkehr in der Regel weit stärker ist als der motorisierte Individualverkehr; seine Verletzlichkeit ist es ohnehin. Es ist daher vertretbar, dessen Sicherung und Erleichterung zu priorisieren.

Die Studie des Autors finden Sie hier.

Entnommen aus dem Deutschen Polizeiblatt 1/2024, S. 13.

[1] www.udv.de (Ins Suchfeld „Neuerungen RiLSA“ eingeben).

[2] www.udv.de (Ins Suchfeld „Unfallrisiko Parken Schwächere“ eingeben).