Gefahrenabwehr Rechtliches

Zwangsgeldandrohung einer Sicherheitsbehörde

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In seinem Beschluss vom 17.04.2023 beantwortet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Frage, ob eine Sicherheitsbehörde bei der auf eine Zwangsgeldandrohung gerichteten Fälligkeitsmitteilung oder bei der Beitreibung des Zwangsgeldes Ermessen auszuüben hat.

Der Kläger ist Hundehalter. Für seinen Hund wurde ihm gegenüber mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.07.2019 u. a. eine Maulkorbpflicht angeordnet und für den Verstoß gegen diese Pflicht ein Zwangsgeld angedroht. Nachdem der Hund in Begleitung des Klägers ohne Maulkorb angetroffen worden war, teilte die Sicherheitsbehörde mit Schreiben vom 21.09.2020 mit, dass das Zwangsgeld fällig geworden sei und drohte ein neues Zwangsgeld an.

Der Kläger wandte hiergegen vor den Gerichten ein, er sei vor Erlass der Fälligkeitsmitteilung nicht angehört worden. Außerdem habe die Sicherheitsbehörde kein Ermessen ausgeübt. Seine Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) ab. Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung lehnte der VGH ab. Dies begründete der VGH wie folgt:

Anhörung vor Fälligkeitsmitteilung nicht erforderlich

Der VGH weist zunächst darauf hin, dass die Fälligkeitsmitteilung kein Verwaltungsakt sei und deshalb kein Anhörungserfordernis nach Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) bestehe:

„Soweit die Klägerseite bemängelt, dass die Fälligkeitsmitteilung vom 21.09.2020 ohne vorherige Anhörung erfolgt sei, ist zu konstatieren, dass diese kein Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG ist. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) liegt in der Androhung des Zwangsgeldes ein im Sinne von Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, wenngleich aufschiebend bedingter Leistungsbescheid.

Wird die sich aus dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt ergebende Pflicht nicht nach der Maßgabe des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG kraft Gesetzes zur Zahlung fällig.

Bei der Fälligkeitsmitteilung handelt es sich um eine behördliche Mitteilung über den Bedingungseintritt, worauf das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil auch zutreffend hingewiesen hat …, ohne dass sich die Klägerseite damit auseinandergesetzt oder dies angegriffen hätte. Vor einer Fälligkeitsmitteilung ist der Betroffene daher auch nicht zwingend zu hören … Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht anwendbar.“

Fälligkeitsmitteilung noch kein Teil des Beitreibungsverfahrens

Sodann führt der VGH aus, dass die Behörde vor der Fälligkeitsmitteilung keine Ermessensentscheidung nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG treffen müsse, weil die Fälligkeitsmitteilung noch nicht die Anwendung des Zwangsmittels sei:

„Nicht durchdringen kann die Klägerseite zudem mit dem Einwand, die Beklagte habe in Bezug auf die aus tierschutzrechtlichen Gründen notwendige Abnahme des Maulkorbs gegen ihr Anwendungsermessen nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG und das Verwaltungsgericht gegen seine Überprüfungspflicht nach § 114 VwGO verstoßen, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, dass überhaupt ein Ermessen in Bezug auf die Fälligstellung ausgeübt worden wäre.

Zwar bestimmt Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG, dass die Vollstreckungsbehörde das angedrohte Zwangsmittel anwenden kann, wenn die Verpflichtung nicht innerhalb der in der Androhung bestimmten Frist erfüllt wird. Das Zwangsgeld wird jedoch gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 1 VwZVG nach den Vorschriften des Zweiten Abschnittes des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes beigetrieben.

Bei einem Zwangsgeld besteht die Anwendung daher darin, dass es nach Art. 23 ff. VwZVG beigetrieben wird … Die Fälligkeitsmitteilung, die, wie erörtert, unmittelbar aus Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG folgt und kein Verwaltungsakt ist, … ist noch nicht Teil der Beitreibung.“

Intendiertes Ermessen hinsichtlich Beitreibung des Zwangsgeldes

Schließlich zeigt das Gericht auf, dass es sich beim nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG auszuübenden Ermessen hinsichtlich der Beitreibung eines fällig gewordenen Zwangsgeldes um ein sog. intendiertes Ermessen handelt, bei dem die Entscheidung für die Beitreibung regelmäßig keiner gesonderten Begründung bedarf:

„Bei dem insoweit auszuübenden Ermessen handelt es sich um ein intendiertes Ermessen. Ein solches liegt vor, wenn das auszuübende Ermessen durch die zugrunde liegenden Wertungen des Gesetzgebers in eine bestimmte Richtung vorgezeichnet ist.

Die zuständige Behörde hat sich bei der Ausübung des Ermessens an der Intention des Gesetzgebers auszurichten (vgl. § 114 Satz 1 VwGO: ,in einer dem Zweck der Ermächtigung … entsprechenden Weise‘). In einem solchen Fall erübrigen sich grundsätzlich eine Abwägung und die nähere Begründung der Ermessensausübung.

Die Behörde hat das Für und Wider nur dann abzuwägen, wenn in dem zu würdigenden Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für eine Ausnahme bestehen … Das Ermessen des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG ist nach den Wertungen des bayerischen Gesetzgebers in dem vorgenannten Sinne vorgeprägt.

Den einschlägigen Gesetzesmaterialien und auch der Ausgestaltung des Art. 37 Abs. 4 VwZVG ist die übergreifende, für alle Arten von Pflichten geltende Wertung zu entnehmen, dass, wenn das Zwangsmittel Zwangsgeld bestandskräftig angedroht und fällig geworden ist, dieses auch grundsätzlich beizutreiben ist, damit die Androhung ihren Zweck – insbesondere auch bei der Abwehr von Gefahren – nicht verfehlt und entwertet wird …

Dass im konkreten Fall hinreichende Anhaltspunkte für eine Ausnahme … vorgelegen hätten, hat die Klägerseite nicht substantiiert dargelegt.“

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 17.04.2023 – 10 ZB 22.1666

Entnommen aus der Fundstelle Bayern 4/2024, Rn. 37.