Rechtliches Sicherheit

Rechtsstreit um sprengstoffrechtliche Erlaubnis

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Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat in einem Rechtsstreit um eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis die diesbezügliche Unzuverlässigkeit des Betroffenen verneint, da die feststellbaren Tatsachen bei Würdigung der Umstände nicht für die Prognose ausreichten, dass er künftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Sprengstoff an Personen überlassen werde, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt nicht berechtigt seien.

Die Waffenbehörde beim Landratsamt (LRA) A. hatte mit Bescheid vom 04.04.2022 die sprengstoffrechtliche Erlaubnis des Betroffenen widerrufen (Ziff. 1) und verpflichtete ihn, dieses Dokument innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids abzugeben (Ziff. 2). Zudem wurde ihm auferlegt, die in seinem Besitz befindlichen Stoffe, zu deren Besitz die widerrufende Erlaubnis berechtigte, einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen (Ziff. 3).

Dieser Bescheid erging vor dem Hintergrund, dass der Betroffene, der Inhaber mehrerer Waffenbesitzkarten, einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis (Erwerben von und Umgang mit NC-Pulver) sowie einer Erlaubnis für den Handel mit Schusswaffen ist und auch einen entsprechenden Handel betreibt, am 24.01.2022 einem Käufer eine Repetierbüchse überlassen hat, obwohl dieser nach einer Mitteilung des für ihn zuständigen LRA B. nicht im Besitz einer dafür notwendigen Erwerbsberechtigung, sondern lediglich im Besitz einer alten „gelben Waffenbesitzkarte“ gewesen sei, die ihn nur zum Erwerb von Einzelladerlangwaffen berechtigt habe.

Auf die Anhörung vom 08.02.2022 teilte der Betroffene der Waffenbehörde beim LRA A. mit Schreiben vom 12.02.2022 mit, dass der ihm als Schützenbruder bekannte Käufer ihn wegen des Kaufes des Repetiergewehrs angesprochen habe. Nach Vorlage der in dessen Besitz befindlichen alten „gelben Waffenbesitzkarte“ habe er dem Käufer gesagt, dass diese für den Erwerb der Waffe nicht genüge.

Dies habe der Käufer nicht glauben wollen und vorgeschlagen, zur abschließenden Klärung die für ihn zuständige Waffenbehörde zu kontaktieren. Im Beisein des Betroffenen sei dann eine Mitarbeiterin S. der Waffenbehörde beim LRA B. angerufen worden, die nach Schilderung des Sachverhalts telefonisch bestätigt habe, dass der Erwerb und die Eintragung der gewünschten Waffe problemlos auf die bestehende „gelbe Waffenbesitzkarte“ möglich seien.

Verkauf erst nach Erkundigung bei Waffenbehörde

Daraufhin sei der Betroffene davon ausgegangen, dass seine Kenntnisse unrichtig gewesen seien, habe die gewünschte Waffe bestellt und nach Lieferung an den Käufer übergeben. Eine telefonische Rücksprache eines Mitarbeiters der Waffenbehörde des LRA A. mit Frau S. bei der Waffenbehörde des LRA B. ergab, dass diese die Angaben wegen des grundsätzlich hohen Anruferaufkommens weder bestätigen noch widerlegen könne.

Ihren Bescheid stützte die Waffenbehörde des LRA A. auf § 34 Abs. 2 Sprengstoffgesetz (SprengG), wonach eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu widerrufen ist, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine solche Tatsache trete ein, wenn die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit nach § 8a SprengG verloren gehe.

Gem. § 8a Abs. 1 Nr. 2c SprengG besäßen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie explosionsgefährliche Stoffe Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese nicht berechtigt sind. Hier habe der Betroffene bereits eine erlaubnispflichtige Schusswaffe an eine nicht berechtigte Person überlassen. Zielsetzung des SprengG sei es, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch den Umgang mit von vornherein gefährlichen, explosionsgefährlichen und Explosivstoffen zu minimieren.

Zielsetzungen von Sprengstoff- und Waffengesetz vergleichbar

Da diese Zielsetzung mit der des Waffengesetzes (WaffG) vergleichbar sei, könnten zum Nachweis von Tatsachen i. S. v. § 8a Abs. 1 Nr. 2c SprengG die gleichen Anhaltspunkte wie in § 5 Abs. 1 Nr. 2c WaffG verwendet werden. Daher rechtfertige im vorliegenden Sachverhalt das Überlassen einer Repetierbüchse an eine nicht berechtigte Person bereits die Annahme, dass der Betroffene künftig auch Munition an Personen überlassen könnte, die zum Besitz dieser Munition, analog zum Überlassen der Repetierbüchse, nicht berechtigt seien.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolge auf der Grundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das besondere Vollzugsinteresse bestehe regelmäßig, da die Gefahr, die von einem Besitzer von explosionsgefährlichen und Explosivstoffen ausgehe, möglichst bald zu beseitigen sei.

Das VG hat den vom Betroffenen erhobenen Eilantrag, der sinngemäß auf die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 13.04.2022 im Hinblick auf die Ziff. 1 bis 3 des Bescheids zielt, mit dem angegriffenen Beschluss vom 14.06.2022 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antrag unzulässig sei, soweit dieser die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziff. 2 des Bescheids betreffe, da der Widerspruch insoweit bereits gem. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung habe.

Im Übrigen sei der zulässige Antrag unbegründet, da der Bescheid der Waffenbehörde vom 04.04.2022 offensichtlich rechtmäßig sei, sodass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Aussetzungsinteresse überwiege.

Annahme sprengstoffrechtlicher Unzuverlässigkeit

Entsprechend der von der Waffenbehörde im angefochtenen Bescheid dargelegten rechtlichen Grundlagen lägen im maßgebenden Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichende Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass der Betroffene sprengstoffrechtlich unzuverlässig sei.

Das unberechtigte Überlassen einer Repetierbüchse sei eine Tatsache, die die Annahme rechtfertige, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der Betroffene auch Munition und damit explosionsgefährliche Stoffe an Personen überlassen werde, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese nicht berechtigt seien. Auch die übrigen Regelungen im streitgegenständlichen Bescheid seien offensichtlich rechtmäßig, sodass das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Betroffenen überwiege.

Hiergegen wendete der Betroffene in der Begründung seiner Beschwerde, mit der er beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) sinngemäß die Anordnung bzw. Wiedererstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen Ziff. 1 bis 3 des Bescheids vom 04.04.2022 geltend macht, ein, dass ausgehend von der Rückversicherung gemeinsam mit dem Käufer bei der für diesen zuständigen Waffenbehörde des Landkreises B. die Prognose seiner Unzuverlässigkeit unzutreffend sei, wobei das Telefonat durch Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht worden sei.

Ermessensentscheidung des Gerichts

Die Überlassung sei an einen Dritten erfolgt, der berechtigt gewesen sei, sich eine entsprechende Waffenbesitzkarte ausstellen zu lassen. Hierbei seien der Ausstellvorgang und der Erwerbsvorgang gedreht worden, da die zuständige Waffenbehörde des LRA B. die Auskunft erteilt habe, dass dies zulässig sei. Demzufolge sei der Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG wegen seines mangelnden Schweregrades nicht geeignet, als Einzelverstoß bereits seine Unzuverlässigkeit ohne weiteres zu begründen. Dieser Vortrag rechtfertigt es, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziff. 1 des Bescheids anzuordnen und hinsichtlich Ziff. 3 dieses Bescheids wiederherzustellen.

Das Beschwerdevorbringen legte indes nicht dar, dass das VG im Hinblick auf Ziff. 2 des Bescheids den Antrag zu Unrecht deswegen als unzulässig abgelehnt hat, weil der Widerspruch bereits aufschiebende Wirkung hat. Insoweit bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

Sowohl in Fällen des durch die Behörde gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordneten Sofortvollzugs als auch in Fällen, in denen durch Bundes- oder Landesgesetz die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ausgeschlossen wird, wie hier nach § 34 Abs. 5 SprengG für Ziff. 1 des Bescheids, trifft das Gericht im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind.

Bei dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen.

Kein Interesse am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts

Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur summarisch möglichen Prüfung erfolgreich sein, so ist grundsätzlich die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen oder wiederherzustellen. Am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse.

Dagegen überwiegt das öffentliche und ggf. private Interesse an der Vollziehung, wenn der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird und in Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes Vollzugsinteresse vorliegt.

Lassen sich die Erfolgsaussichten bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beurteilen, hat das Gericht im Rahmen einer eigenen Interessenabwägung das öffentliche und ggf. private Interesse an der sofortigen Vollziehung der behördlichen Verfügung und das private Interesse des Betroffenen und die Interessen Dritter, vorläufig von deren Wirkung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen.

Nach der gebotenen summarischen Prüfung unter Berücksichtigung des Vortrags im Antrags- und Beschwerdeverfahren vermochte das OVG nicht zu erkennen, dass der mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid offensichtlich oder jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist.

Vorbehaltlich einer im Hauptsacheverfahren durchzuführenden näheren Aufklärung des Sachverhalts stellt sich dem OVG die angefochtene Verwaltungsentscheidung als rechtswidrig dar, da die Voraussetzungen für den Widerruf der Erlaubnis für den Erwerb von und Umgang mit Sprengstoff wegen fehlender sprengstoffrechtlicher Zuverlässigkeit des Betroffenen nicht vorliegen.

(…)

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 13.09.2022 – 6 B 183/22

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 3/2024, Rn. 21.