Rechtliches

Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs

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Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 15. Februar 2012 festgestellt, dass ein gerichtlicher Vergleich befristeter Arbeitsverträge nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 ZPO nicht als sachliche Rechtfertigung für eine Befristungsabrede angesehen werden kann.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei dem beklagten Freistaat seit August 2002 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als Lehrkraft in Teilzeit beschäftigt. Die vorletzte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008 griff sie mit einer Befristungskontrollklage an. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 ZPO beendet, wobei sich die Parteien auf eine weitere befristete Beschäftigung der Klägerin bis zum 31. Juli 2009 einigten.

Mit ihrer im Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Befristungskontrollklage hat sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit dieser erneuten Befristung berufen.

Das Arbeitsgericht hat den Befristungskontrollantrag der Klägerin zurückgewiesen, das Landesarbeitsgericht die auf die Abweisung gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das BAG hingegen hielt die Revision für begründet.

Aus den Gründen

Das BAG kam zu dem Ergebnis, die Befristungsvereinbarung sei mangels eines sie nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigenden Grundes unwirksam, sie beruhe nicht auf einem gerichtlichen Vergleich i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Die an einen gerichtlichen Vergleich i.S. von. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG zu stellenden Anforderungen seien vorliegend nicht erfüllt. Der Vergleich sei nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 ZPO geschlossen. Ein solcher Vergleich unterfalle nicht § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG.

Für den gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO in der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung (nunmehr § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO) habe der Sechste Senat des BAG entschieden, dass es sich um einen Sachgrund für die in dem Vergleich vereinbarte Befristung eines Arbeitsvertrages handeln könne. Nähmen die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts, der eine Befristungsabrede beinhalte, durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht an und stelle das Gericht durch Beschluss das Zustandekommen des Vergleichs fest, rechtfertige der so geschlossene Vergleich nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG die Befristung des Arbeitsverhältnisses.

Eine Auslegung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ergebe, dass der nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1, Satz 2 ZPO zustande gekommene gerichtliche Vergleich hingegen kein gerichtlicher Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sei. Im Zeitpunkt der Verkündung des TzBfG am 28. Dezember 2000 sei § 278 Abs. 6 ZPO noch nicht existent gewesen. Ein den Prozess beendender Vergleich habe bis Ende 2001 vor Gericht abgeschlossen und nach §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 ZPO protokolliert werden müssen. Erst mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 sei u.a. § 278 ZPO insgesamt neu gestaltet und die Möglichkeit eines gerichtlichen Vergleichsschlusses dahingehend eingeführt worden, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen könnten. Diese Möglichkeit sei mit dem am 1. September 2004 in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 erweitert worden, indem nunmehr ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden könne, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiteten (§ 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 ZPO).

Vor der Kodifizierung der Sachgrundbefristung im Teilzeit- und Befristungsgesetz habe das BAG den gerichtlichen Vergleich als ausreichende Rechtfertigung für eine in ihm verabredete Befristung befunden, weil er wegen der gerichtlichen Mitwirkung eine hinreichende Gewähr dafür biete, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsverhältnisses zu bewahren. Anders als bei einem durch das Gericht i.S. der §§ 159 bis 160a, 162, 163 ZPO protokollierten Vergleich oder bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2, Satz 2 ZPO, bei dem sich das Gericht einen ggf. von den Parteien vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen mache und diesen den Parteien unterbreite, sei aber bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1, Satz 2 ZPO geschlossenen Vergleich der gerichtliche Beitrag von vornherein auf eine Feststellungsfunktion beschränkt.

Zwischen den Alternativen des schriftlichen Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO bestehe ein struktureller Unterschied. Die Möglichkeit des Gerichts, auf den Inhalt des Vergleichs unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers Einfluss zu nehmen, sei bei § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 ZPO schon durch die Verfahrensgestaltung begrenzt, denn das Gericht habe in dem Fall, in dem die Parteien ihm einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiteten, dessen Zustandekommen und Inhalt – abgesehen von Verstößen gegen Strafgesetze oder gegen §§ 134, 138 BGB – nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO nur noch festzustellen. Dieser strukturell allein in der Protokollierung von (nicht gesetzeswidrigen) Einigungsentwürfen liegende gerichtliche Beitrag sei keine „Mitwirkung“ i.S. einer inhaltlichen Verantwortung, die der verlautbarten Intention des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG entspreche.







Praxishinweise: Bewertung und Folgen der Entscheidung


  • Die Möglichkeit, durch gerichtlichen Vergleich einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu schaffen, hat durch diese Entscheidung des BAG eine erhebliche Einschränkung erfahren. Die Entscheidung berücksichtigt dabei nicht die gerichtliche Praxis. Das BAG führt selbst aus, dass auch im Fall 1 des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO das Gericht sich häufig nur den von den Parteien erarbeiteten Vergleichsvorschlag zu eigen macht.

  • Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist „überraschend“ und erscheint lebensfremd. Vor allem aber ist sie mit dem Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nicht zu vereinbaren. Nach ganz herrschender Meinung dient die Vorschrift dazu, den unter Mitwirkung des Gerichts zustande gekommenen Vergleich von dem außergerichtlichen Vergleich zu unterscheiden.

    Der Schutz in Zivilverfahren, den § 278 Abs. 6 ZPO garantiert, ist in beiden Fällen gleich stark. Daher muss auch die Wirkung des Vergleichs, der auf § 278 Abs. 6 ZPO gestützt ist, gleich stark sein. Man mag über den außergerichtlichen Vergleich anderer Meinung sein. Eine Unterscheidung zwischen einem gerichtlichen Vergleich auf Vorschlag der Parteien oder Vorschlag des Gerichts ist höchst künstlich und entspricht nicht der Lebenswirklichkeit, vor allem aber nicht dem Gesetzestext.

  • Zukünftig ist bei Vergleichen stets auf eine ausreichende Mitwirkung des Gerichts zu achten, was nach Auffassung des Siebten Senats bedeutet, dass ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2, Satz 2 ZPO geschlossen werden muss, um das Vorliegen des Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 ZPO zu begründen. Demzufolge ist auf einen Vergleichsvorschlag seitens des Gerichtes hinzuwirken.