Das Phänomen der illegalen Autorennen beschäftigt derzeit auch die Politik. Dem Bundesrat liegt seit September 2016 eine Ausschussempfehlung vor, den von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bremen getragenen „Gesetzentwurf zur Einführung von Straftatbeständen gegen nicht genehmigte Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr“ in den Deutschen Bundestag einzubringen.
Inhalt des Gesetzentwurfs
Der Entwurf sieht die Einführung eines neuen § 315d StGB-E mit der Überschrift „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ vor. Der Grundtatbestand (Absatz 1) bestraft denjenigen, der im Straßenverkehr ein nicht genehmigtes Kraftfahrzeugrennen veranstaltet (Nr. 1) oder als Kraftfahrzeugführer an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt (Nr. 2). Die Tat kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. § 315d Abs. 2 StGB-E enthält eine an § 315c StGB angelehnte Qualifikation (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) für Fälle, in denen der Fahrer durch die Teilnahme am Rennen Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Verursacht er die Gefahr fahrlässig, so reduziert sich das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren (Abs. 3). Schließlich sieht 315d Abs. 4 StGB-E eine weitere Strafschärfung vor, wenn der Fahrer durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen herbeigeführt hat. Hierbei handelt es sich um eine Erfolgsqualifikation, d. h. dem Täter muss mit Blick auf die schwere Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fallen (§ 18 StGB). Der Strafrahmen bewegt sich zwischen einem und zehn Jahren, solange kein minder schwerer Fall vorliegt.
Bewertung des Gesetzentwurfs
Der Gesetzgeber hat das Strafgesetzbuch in dieser Legislaturperiode mit beispiellosem Eifer reformiert. Während einige der Gesetzesänderungen im wissenschaftlichen Schrifttum zu Recht als Ausdruck eines zunehmend expansiven Strafrechts kritisiert worden sind, ist eine strafrechtliche Erfassung illegaler Rennen notwendig und überfällig. Dass sich gerade hiergegen politischer Widerstand formiert hat, lässt sich nicht mit rechtlichen Argumenten, sondern allein mit politischen Interessen vor den Bundestagswahlen 2017 erklären.
Es ist eine wichtige Aufgabe des Staates, Rechtsgüter vor neuen Gefahren, etwa durch bislang unbekannte Kriminalitätsphänomene zu schützen. Das geltende Recht erfasst den neuartigen Trend illegaler Autorennen nur unzureichend. Trotz ihrer besonderen Gefährlichkeit für den Straßenverkehr können Veranstaltung und Teilnahme an illegalen Rennen lediglich als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Werden durch das Rennen Personen oder Sachen gefährdet, besteht gegenüber den in § 315c StGB geregelten Verkehrsverstößen eine nicht nachvollziehbare Schutzlücke. Kommt es zu einem tödlichen Unfall, so steht zwar grundsätzlich der Vorwurf eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes im Raum. Die Rechtsprechung hat sich jedoch bislang zurückhaltend gezeigt und den Tätern allein Fahrlässigkeit zur Last gelegt. Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung bildet den spezifischen Unrechtsgehalt illegaler Rennen indes nicht hinreichend ab. Für eine Strafbarkeit nach § 222 StGB reicht es aus, dass der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und dadurch einen Menschen getötet hat. Wer versehentlich ein Stoppschild überfährt oder die zulässige Höchstgeschwindigkeit geringfügig überschreitet (also etwa innerorts mit 60 km/h anstatt mit 50 km/h unterwegs ist), handelt fahrlässig. Das Handlungsunrecht eines illegalen Rennens unterscheidet sich von diesen alltäglichen Formen der Fahrlässigkeit grundlegend. Der Teilnehmer eines Rennens trifft eine bewusste Entscheidung für die Gefährdung des Straßenverkehrs; er missachtet vorsätzlich und massiv die geltenden Regeln und ordnet die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer seinen egoistischen Zielen unter. Um die unterschiedlichen Phänomene bereits im Schuldspruch voneinander abzugrenzen, ist die Einführung des § 315d StGB-E – oder einer vergleichbaren Vorschrift – sinnvoll.
Der Gesetzentwurf der Bundesländer verdient daher Zustimmung. Zu raten ist allenfalls, den Begriff des „Rennens“ zumindest in der Gesetzesbegründung klar zu definieren und nicht auf Geschwindigkeitswettbewerbe zu begrenzen. Zudem sollte der Gesetzgeber erwägen, auch „Raser“ außerhalb von kompetitiven Rennen strafrechtlich zu sanktionieren. Wenngleich die Interaktion zwischen zwei Fahrern besondere Eskalationsgefahr birgt, gehen von Tätern, die durch erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen etwa einen Beifahrer beeindrucken wollen, vergleichbare Risiken für andere Verkehrsteilnehmer aus. Ein entsprechender Straftatbestand wäre freilich auf ganz erhebliche Verstöße zu beschränken, die weit über ein gelegentlich „zu schnelles Fahren“ hinausgehen. Da das Strafrecht nur begrenzt präventive Wirkung entfaltet, sollte die Einführung von Straftatbeständen durch verwaltungsrechtliche Maßnahmen flankiert werden. Als sinnvolles Instrument erscheint etwa eine „PS-Beschränkung“ für die besonders problematische Gruppe der Fahranfänger. Die Lust auf ein Rennen dürfte deutlich geringer sein, wenn der eigene Wagen bestimmte Höchstgeschwindigkeiten nicht erreichen kann.
PRAXISHINWEIS:
Dies ist ein aktueller Auszug aus: „Deutsches Polizeiblatt“ 2/2017 (DPolBl), S. 28-29 des RICHARD BOORBERG VERLAGES, ISSN 0175-4815.