Die Arbeitgeberin zahlte den Mindestlohn von damals 8,50 € pro Stunde. Davor hatte sie bis zum Dezember 2014 einen Stundenlohn von 6,36 € brutto gezahlt. Ab dem 01.01.2015 wurde in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag geregelt, dass die Vergütung ab dem 01.01.2015 in Anlehnung an das Mindestlohngesetz 8,50 € pro Zeitstunde ausmache. Daneben wurde durch eine Betriebsvereinbarung eine vor dem 01.01.2015 ausgelobte anrechnungsfreie Anwesenheitsprämie abgesichert, die die Arbeitgeberin zwar in der monatlichen Entgeltabrechnung mit der Erläuterung „davon Anw.prämie“ auswies, aber eben unter Zugrundelegung nur des Mindestlohnes pro Arbeitsstunde auf den sich so ergebenden Monatslohn anrechnete.
Eine Arbeitnehmerin vertrat den Standpunkt, ihr sei die Prämie ungeschmälert neben dem Mindestlohn zu zahlen und gewann das Verfahren beim Bundesarbeitsgericht1.
Sonderzahlung neben Grundvergütung
Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass eine Anwesenheitsprämie dann mindestlohnwirksam sei, wenn sie nicht nur für bloße Anwesenheit im Betrieb, sondern für die Erbringung der Arbeitsleistung gezahlt würde.
Das sei hier zwar der Fall. Wenn aber die Arbeitgeberin ohnehin wenigstens den Mindestlohn pro Arbeitsstunde zahle, bleibe für die Anrechnung einer Anwesenheitsprämie auf die Erfüllung des Mindestlohngebots gar kein Raum. In einem solchen Fall sei die Sonderzahlung neben der Grundvergütung zu zahlen. Denn dann bestünde kein „Differenzanspruch“ und eine „Anrechnung“ der Anwesenheitsprämie scheide aus.
Die Parteien hätten auch keine Verrechnung der Prämie vereinbart. Wäre die Verrechnung gewollt gewesen, hätte die Arbeitgeberin klarstellen müssen, dass die Erhöhung des Stundenlohns mit einer Verrechnung der Anwesenheitsprämie hätte einhergehen sollen bzw. sie sich eine Anrechnung der Anwesenheitsprämie auf die Lohnerhöhung vorbehalte. Das sei aber nicht geschehen, sodass die Zahlung der Prämie weiterhin beansprucht werden konnte.
Anmerkung:
Die Entscheidung bestätigt, dass Prämien immer dann mindestlohnwirksam sind, wenn sie für erbrachte Arbeitsleistungen gezahlt werden. Sie zeigt aber auch wieder einmal, wie wichtig es ist, Vorbehalte zu artikulieren, um einseitig unabänderbare Ansprüche zu verhindern.
1 Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Oktober 2017 – 5 AZR 621/16, besprochen in RdW 2018 Rn. 348.