Grundlagen Rechtliches

Blitzer-App

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Das OLG Karlsruhe verurteilte einen Autorfahrer zu einer Geldbuße von 100,00 €. Grund war das vorsätzliche Mit-sich-Führen eines betriebsbereiten technischen Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen.

Sachverhalt

Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene im Stadtgebiet einen Pkw mit teilweise deutlich überhöhter Geschwindigkeit und unterließ mehrfach den gebotenen Einsatz des Fahrtrichtungsanzeigers. Dabei wusste er, dass auf dem in der Mittelkonsole abgelegten Mobiltelefon seiner Beifahrerin die App „Blitzer.de“ geöffnet war.

Die Überzeugung zur vom Betroffenen bestrittenen subjektiven Tatseite hat das Amtsgericht auf eine Bekundung des den Betroffenen kontrollierenden Polizeibeamten gestützt, wonach der Betroffene nach dem Anhalten bewusst das Mobiltelefon zur Seite geschoben habe, und dies außerdem in Beziehung zu dem vorherigen Fahrverhalten des Betroffenen gesetzt.

Tathandlung des „Verwendens“

Das OLG hat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene des vorsätzlichen Verwendens der Funktion eines auch zu anderen Nutzungszwecken verwendeten technischen Geräts zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen schuldig ist.

StVO – §§ 23c

Die Tathandlung des „Verwendens“ in § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO setzt kein eigenes aktives Tätigwerden des Fahrzeugführers im Umgang mit dem technischen Gerät bzw. dessen Funktion voraus, sondern vielmehr genügt jedes Handeln, mit dem dieser sich die verbotene Funktion zunutze macht. Erfasst wird deshalb auch die Nutzung der auf dem Mobiltelefon eines anderen Fahrzeuginsassen installierten und aktivierten Funktion.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschl. v. 07.02.2023 – 2 ORbs 35 Ss 9/23

Aus den Gründen

Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§§ 46 OWiG, 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Betroffenen zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die rechtsbeschwerderechtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.

Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt oder sich die Schlussfolgerungen des Tatrichters so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (…).

Daran gemessen bilden insbesondere die zur Begründung der Annahme vorsätzlichen Handelns des Betroffenen angeführten Umstände eine hinreichende tatsächliche Grundlage für den daraus von der Tatrichterin gezogenen Schluss.

Kein Verstoß gegen § 23 Abs. 1c Satz 1 und 2 StVO

2. Die getroffenen Feststellungen tragen allerdings nicht eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1c Satz 1 und 2 StVO. In der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist dazu zutreffend ausgeführt: „Bei dem vom Betroffenen verwendeten Gerät, einem Smartphone, auf dem die App ‚Blitzer.de‘ aktiviert war (…), handelt es sich jedoch nicht um ein Gerät, dass dazu bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen.

Es handelt sich vielmehr um ein Gerät, dass neben anderen Nutzungszwecken auch zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen verwendet werden kann. Daher unterfällt das Smartphone mit der aktivierten App ‚Blitzer.de‘ nicht § 23 Abs. 1c Satz 1-2 StVO, sondern § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO (…).

Diese Differenzierung, die erst mit der Änderung von § 23 Abs. 1c StVO durch die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.04.2020 (…) entstand, lag dem ‚alten‘ § 23 Abs. 1b StVO noch nicht zugrunde, weshalb die bisherigen Entscheidungen zu § 23 Abs. 1b StVO a. F. diese Differenzierung noch nicht treffen (…).“

Vorsätzlicher Verstoß gegen § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO

3. Der Senat schließt sich jedoch der von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vorgenommenen Bewertung an, dass das im angefochtenen Urteil festgestellte Verhalten einen (vorsätzlichen) Verstoß gegen § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO belegt.

a) Ein solcher Verstoß setzt entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung nicht voraus, dass die Funktion zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen vom Fahrzeugführer selbst aktiviert worden ist.

aa) Die Einführung des § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO wurde durch eine Initiative der Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur, für Wirtschaft und Energie und für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit angestoßen, die ursprünglich nur vorsah, die Regelung in § 23 Abs. 1c Satz 1 StVO dahin zu ergänzen, dass das verwendete technische Gerät zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmt ist oder – so der Ergänzungsvorschlag – „verwendet werden kann“.

Damit sollte klargestellt werden, dass von der Regelung auch Navigationsgeräte oder Mobiltelefone mit sogenannten Blitzer-Apps erfasst sind (…).

Eigenes aktives Tätigwerden keine Voraussetzung für Verstoß

Die dann beschlossene Änderung durch Einführung des § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO wurde damit begründet, dass mit dem ursprünglichen Vorschlag auch Geräte erfasst gewesen wären, auf denen die entsprechenden Funktionen deaktiviert sind.

Der Bundesrat hat in der Begründung zu diesem Änderungsvorschlag abschließend ausgeführt: „Es wird daher vorgeschlagen, das vorgesehene Verbot auf die Nutzung [Hervorhebung durch den Senat] der entsprechenden Gerätefunktionen (zum Beispiel entsprechende Smartphone- Applikationen) zu begrenzen“ (…).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Entstehungsgeschichte steht deshalb außer Zweifel, dass die Tathandlung des „Verwendens“ in § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO kein eigenes aktives Tätigwerden des Fahrzeugführers im Umgang mit dem technischen Gerät bzw. der darin enthaltenen verbotenen Funktion voraussetzt, sondern vielmehr jedes Handeln genügt, mit dem dieser sich die verbotene Funktion zunutze macht.

Erfasst wird deshalb auch die Nutzung der auf dem Mobiltelefon eines anderen Fahrzeuginsassen installierten und aktivierten Funktion (…), wie sie sich aus den vorliegend getroffenen Feststellungen ergibt.

Entnommen aus dem Neuen Polizeiarchiv 11/2023, Lz. 917.