Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat i. R. d. Rechtsstreits um die Kostenübernahme für die Beseitigung einer Ölspur geurteilt, dass es vor der Entscheidung über deren Notwendigkeit aus Zeit- und Kostengründen in aller Regel nicht geboten sei, zuvor Messungen oder sachverständige Untersuchungen vorzunehmen. Insoweit sei grundsätzlich eine Sicht ex ante, also vor Durchführung der Reinigung, maßgeblich.
Sachverhalt
Am 15.07.2019 um 16:50 Uhr wurde der Feuerwehr einer Stadt eine Verunreinigung öffentlicher Verkehrsflächen durch Betriebsstoffe an einem öffentlichen Platz im Stadtgebiet gemeldet. Diese war durch ein Fahrzeug verursacht worden.
Die Feuerwehr sicherte die Ölspur ab. Sie gab sodann die Reinigung der Verkehrsflächen, deren Länge sie auf 3,5 km schätzte, durch eine Fachfirma in Auftrag. Diese nahm am selben Tag von 17:30 bis 21:00 Uhr eine Nassreinigung vor. Vor der Reinigung wurden über die gesamte Strecke Lichtbilder von der Verunreinigung angefertigt.
Der Halter des verursachenden Fahrzeugs erhielt am 23.10.2019 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Kostenfestsetzung i. H. v. 5 600,22 Euro. Am 03.04.2020 erstattete der Halter 285,42 Euro, also nur den auf die Kosten für den Feuerwehreinsatz entfallenden Anteil.
Kostenfestsetzung
Die Stadt gab dem Fahrzeughalter mit ihm am 23.07.2021 zugestellten Kostenbescheid vom 16.07.2021 auf, die Reinigungskosten für den Schaden i. H. v. 5 600,22 Euro zu erstatten und den Betrag abzüglich der erfolgten Teilzahlung in Höhe von noch 5 314,80 Euro zu begleichen.
Die Feuerwehr habe die fachgerechte Reinigung entsprechend der dem Schadensfall angemessenen und erforderlichen Reinigungsform durchgeführt, um die Verkehrssicherheit wiederherzustellen. Hierfür seien der Stadt Kosten i. H. v. 285,42 Euro für den Feuerwehreinsatz (einschl. einer Verwaltungskostenpauschale von 28,00 Euro), 25,00 Euro als Schadensbearbeitungspauschale der Technischen Dienste und 5 289,80 Euro für die Rechnung des beauftragten Unternehmens entstanden.
Abzüglich der erfolgten Teilzahlung seien noch 5 314,80 Euro zu begleichen. Außerdem erhob sie eine Verwaltungsgebühr i. H. v. 50,00 Euro.
Verkehrssicherungspflicht der Stadt
Zur Begründung führte die Stadt im Wesentlichen aus, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Straßengesetz (StrG) als spezialgesetzlicher Regelung der unmittelbaren Ausführung bei Nichterfüllung einer gesetzlichen Pflicht würden vorliegen.
Die Verunreinigung gehe nach Art und Umfang deutlich über die mit der ordnungsgemäßen Benutzung einhergehende Verschmutzung der Straße hinaus. Der Fahrzeughalter habe die Verunreinigung nicht unverzüglich im ausreichenden Maß und vollumfänglich beseitigt oder eine Beseitigung veranlasst.
Daher und aufgrund der erheblichen Gefährdung der Verkehrsteilnehmer des ruhenden und fahrenden Verkehrs habe die Feuerwehr die Durchführung einer fachgerechten Reinigung zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit veranlassen müssen. Sie, die Stadt, treffe als Straßenbaulastträgerin die Verkehrssicherungspflicht.
Nassreinigung
Die (Nass-)Reinigung sei entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und dem neuesten Stand der Technik durchgeführt worden. Der Fahrzeughalter sei als Verursacher der Fahrbahnverunreinigung und Zustandsstörer auf der Grundlage von § 42 StrG zur Erstattung der Kosten der Reinigung, also des Einsatzes von Personal und Maschinen, verpflichtet. Die Rechnung der Feuerwehr sei nach den getroffenen Maßnahmen, der Stundenzahl und dem Stundensatz angemessen.
Der Fahrzeughalter erhob hiergegen am 23.08.2021 Widerspruch und machte u. a. geltend, das Kürzel „TD 2016 Ölspur“ lasse darauf schließen, dass die Preisvereinbarung allenfalls für das Jahr 2016 gelte. Außerdem machte er sich die Ausführungen in dem von seiner Versicherung eingeholten Prüfbericht eines Sachverständigen vom 05.02.2020 zu eigen. Dieser führte aus, die Verkehrsflächenmaßnahme sei nicht erforderlich gewesen.
Unverzügliche Reinigung erforderlich
Auf den vorhandenen Lichtbildern seien keine behandlungsbedürftigen, durch ausgetretenen Kraftstoff verursachten Verkehrsflächenverschmutzungen zu erkennen gewesen. Es fehle an einer Erklärung der Stadt als Straßenbaulastträgerin, wie sie im Einzelfall festgestellt habe, dass die Rutschfestigkeit der betroffenen Verkehrsflächen bedingt durch das Schadensereignis unter den Warnwert von 0,46 herabgesetzt und daher eine Reinigung erforderlich gewesen sei.
Die Art und Menge des Kraft- bzw. Schadstoffs seien nicht angegeben worden. Zwischen der von der Stadt dokumentierten Verschmutzungslänge von 3,5 km und der durch den Auftragnehmer berechneten Reinigungslänge von 5,5 km bestünden erhebliche Differenzen.
Kostenfestsetzung angemessen
Die Stadt wies den Widerspruch mit Bescheid vom 01.07.2022 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Einsatzleiter der Feuerwehr habe die Ölspur am 15.07.2019 aufgenommen. Er habe nach einer Beurteilung des Sachverhalts die Fachfirma mit dem Entfernen der Fahrbahnverunreinigungen beauftragt, weil andere Verkehrsteilnehmer gefährdet gewesen wären.
Die unverzügliche Beseitigung sei für die Verkehrssicherheit erforderlich gewesen. Die Unterschrift des Einsatzleiters befinde sich auf dem Aufnahmeformular. Die durchgeführten Reinigungsschritte seien auf dem Auftrag und der Rechnung vermerkt. Die durch die Beseitigung entstandenen Kosten seien angemessen und stünden nicht außer Verhältnis zu den erforderlich gewordenen Arbeiten.
Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Stadt für die Beseitigung von Ölspuren in ihrem Stadtgebiet ein Ausschreibungsverfahren nach den Allgemeinen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) durchgeführt habe. Dessen Zweck sei es gerade, Leistungen zu angemessenen Preisen zu vergeben.
(…)
Ex-ante-Sicht maßgeblich
Ob die Verkehrsflächenreinigung und die in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen nach Art und Umfang erforderlich sind, ist eine vom Gericht in vollem Umfang zu prüfende Rechtsfrage, wobei insoweit grundsätzlich eine Sicht ex ante, d. h. vor Durchführung der Reinigung, maßgeblich ist.
Dabei lässt sich der Umfang aufgrund einer Straßenverunreinigung erforderlicher Straßenreinigungsarbeiten auch aus Sicht erfahrener Bediensteter der zuständigen Straßenbaubehörde nicht immer von vornherein in jeder Hinsicht zuverlässig beurteilen.
Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Straßenbaubehörde Maßnahmen veranlasst, die in der vorgefundenen Situation aus vorausschauender Sicht vernünftig erscheinen. Zudem sind die getroffenen Maßnahmen im Lichte der effektiven Abwehr von Gefahren für die unmittelbar am Straßenverkehr Beteiligten und je nach Verunreinigung, auch für sonstige Personen und Sachgüter zu betrachten.
Ob sich im Nachhinein herausstellt, dass ein geringerer Aufwand ausgereicht hätte, ist daher grundsätzlich unerheblich.
Kein Vorrang des Nass- bzw. Trockenreinigungsverfahrens
Etwas anderes gilt nur dann, wenn Maßnahmen veranlasst wurden, die ersichtlich außer Verhältnis zu dem Anlass und dem zu erwartenden notwendigen Beseitigungsaufwand standen. Es besteht zudem kein genereller Vorrang des Nass- oder des ebenfalls technisch anerkannten Trockenreinigungsverfahrens durch Anbringung von Ölbindemitteln als Verfahren zur Ölspurbeseitigung.
Beide Methoden haben je nach Anwendungsfall bestimmte Vor- und Nachteile, sodass sich eine generelle Einschätzung verbietet.
Die Auswahl des Kostenpflichtigen erfolgt auch i. R. d. § 42 Satz 2 StrG nach den allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen der Bestimmung des polizeipflichtigen Störers entsprechend den §§ 6 und 7 PolG.
Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 15.03.2024 – 2 K 2617/22
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 22/2024, Rn. 276.